Kennt Ihr das auch? Wenn Kinder richtig wütend werden, kriegen wir Eltern ganz schön was zu hören: ‚Ich hasse dich! Ich will nicht mehr dein Kind sein!‘ Aua, das tut weh. Und macht sauer. Schnell holen wir zum verbalen Gegenschlag aus: ‚Wenn ich so gemein bin, muss ich Dir ja auch nichts vorlesen!‘
Verletzung und Gegenverletzung. Und am Ende haben alle verloren.
Wie kann es anders gehen?
Ich finde es wichtig, sich klar zu machen: WAS ein Kind in seiner Verzweiflung sagt, ist lange nicht so wichtig oder bedeutsam, wie wir oft glauben. Entscheidend ist, WIE es das sagt: wütend, verletzt, verzweifelt, enttäuscht.
Und was braucht ein wütender, verzweifelter Mensch? Trost, Trost, und noch mal Trost.
Den zu spenden, fällt aber natürlich schwer, wenn man gerade so angemacht wurde.
Deshalb müssen wir die Worte für uns anders übersetzen.
„Ich will, dass du nicht mehr meine Mama bist!“ heißt in Kinderwutsprech: „Ich bin so verzweifelt, dass ich gerade am liebsten gar nicht mehr ich selbst wäre.“
„Ich hasse dich“ heißt „Ich bin so unglaublich wütend, dass ich nichts anderes mehr spüre als dieses Gefühl.“
„Du bist die gemeinste Mama auf der Welt“ heißt „Ich komme gerade nicht damit klar, dass ich nicht alle Entscheidungen, die mich betreffen, alleine treffen kann und darf. Dadurch fühle ich mich fremdbestimmt, und das hasse ich.“
Wenn ich diese Aussagen hinter den Aussagen meiner Kinder höre, komme ich an einen Ort, an dem ich nicht mehr verletzt bin, sondern voller Verständnis.
Dass ich nicht beschimpft werden will, kann ich meinem Kind natürlich trotzdem sagen – aber nicht in der Situation, sondern wenn mein Kind wieder ruhig und damit aufnahmefähig ist.
1 Comment on "Wenn Kinder uns beschimpfen: Eine kleine Übersetzungshilfe"
Olga Haas
16/03/2021Guten Abend Frau Imlau, ich bin mir gar nicht sicher, ob Sie noch auf diese Seite schauen. Der Artikel ist ja schon eine ganze Weile her. Aber eigentlich zeitlos. Vor allem wenn man abends total erschöpft neben dem endlich schlafenden Nesthäkchen liegt und sich fragt, ob man an diesem Tag irgendwas richtig gemacht hat. Die Wutanfälle von Big Sister bis Nesthäkchen sind nicht zählbar und ich möchte sie auch nicht zählen. Zurück bleibt das Gefühl mal wieder versagt zu haben. Man möchte doch eigentlich nur, dass die Kinder sich der Liebe der Eltern sicher sein können. Aber heißt das auch, dass man alle Beschimpfungen, Tritte und Agressionen einfach irgendwie wegstecken muss bis es irgendwie von selbst besser wird.
Irgendwann dachte ich ja, solange ein Kind ausschließlich liebevoll erzogen und umsorgt wird, wird es auch diese Liebe nach außen ausstrahlen. Wie schafft man es, nicht nur äußerlich die Ruhe zu bewahren? Wie schluckt man es runter? Kann man solche Worte vergessen? Und wie geht man bei älteren Kindern damit um? Mit 10 oder elf Jahren weiß man ja noch viel eher, dass ich haße dich, auch genau so verstanden werden kann.
Ich weiß, das alles klingt jetzt nach einer echt schlimmen Mama. Ich hoffe, ich kann es zumindest an ein paar Tagen im Jahr so umsetzen, wie Sie es in ihren Artikeln schreiben. Manche Tage sind aber auch einfach voll, vor allem emotional.....