Für mein Buch „Crashkurs Baby“ habe ich einen Sechs-Punkte-Plan zu guten Nächten entwickelt – hier könnt Ihr ihn lesen:
Was das Schlafen angeht, haben Babys ein echtes Image-Problem. Sie schlafen schwer ein, sie schlafen nicht durch, sie wachen früh auf. Und ihre armen Eltern schleppen sich deshalb blass und unausgeschlafen durch den Tag. Soweit das Klischee.
Die Wahrheit ist: Babys schlafen gerne, leicht und viel – unter den richtigen Bedingungen und in ihrem eigenen Rhythmus. Der einfachste Weg zu ruhigen Nächten für alle ist deshalb, dem Baby Schlafbedingungen zu schaffen, die seinen Bedürfnissen entsprechen – und ihm einen Schlafrhythmus anzugewöhnen, der mit dem eigenen zusammenpasst.<
Ein Überblick<
1. Schritt: Verstehen, wie ein Baby schläft
Neugeborene schlafen durchschnittlich 14 bis 18 Stunden pro Tag, doch die individuellen Unterschiede sind enorm: Manche kommen auch mit nur 12 Stunden hin, andere brauchen bis zu 20 Stunden Schlaf.
Wichtig zu wissen: Der individuelle Schlafbedarf ist angeboren. Und kein Kind kann länger schlafen, als es seinem Bedarf entspricht.
Während des Schlafens durchlaufen Babys genauso wie Erwachsene verschiedene Phasen: Unmittelbar nach dem Einschlafen geht es los mit einer Leichtschlafphase, in der sie leicht wieder hochschrecken. Dann folgt eine Tiefschlafphase, in der man sie kaum wach kriegt. Daran schließt sich die Traumphase an, zum Schluss kommt wieder eine Leichtschlafphase. All diese Phasen zusammengenommen bilden einen so genannten Schlafzyklus – bei Neugeborenen dauert er etwa 50 Minuten. Danach wachen sie auf, denn daran sind sie aus dem Bauch gewöhnt: Einen Zyklus schlafen, dann etwa genauso lang wach sein, dann wieder einschlafen. Den Unterschied zwischen Tag und Nacht kennen sie nicht.
2. Schritt: Den Unterschied zeigen
Bei uns ticken die Uhren anders: Hier gibt es Tage zum Wachsein und Nächte zum Schlafen. Das ist eins der ersten Dinge, die ein Baby auf der Welt lernt. Und das klappt am einfachsten, wenn man ihm klipp und klar den Unterschied zeigt: Nachts ist es dunkel und still, und Mama und Papa schlafen. Zum Trinken wird allenfalls ein Schummerlicht angemacht, gewickelt wird nur im Notfall und ohne all die lustigen Bauchblubberspiele, die die Sache tagsüber so lustig machen. Umgekehrt scheint tagsüber die Sonne durchs Fenster, auch beim Mittagschlaf. Und keiner schleicht auf Zehenspitzen durchs Haus.
3. Müde Punkte erkennen
Am Anfang ist die Sache mit dem Einschlafen meist ganz leicht: Das Baby ist müde und nickt einfach weg. Überall. Wird es älter, klappt das so nicht mehr: Die Welt ist nun viel zu spannend, um einfach einzuschlafen! Jetzt gilt es, an anderen Dingen zu erkennen, dass das Baby müde ist: Sein Blick wird glasig, es reibt mit den Fäustchen im Gesicht herum, es schmiegt sich an. Alles Zeichen, dass es jetzt ein guter Zeitpunkt zum Schlafen wäre.
4. In den Schlaf helfen
Einschlafen ist schwer. Sich von der spannenden Welt abwenden, die Augen zumachen, sich fallen lassen. Schlafforscher gehen heute davon aus, dass selbst Erwachsenen dieser allabendliche „Abschied von der Welt“ noch Probleme bereitet, weshalb sie sich alle möglichen Brücken in den Schlaf bauen: Sie lesen noch ein bisschen im Bett, gucken noch etwas fern oder kuscheln sich an ihren Partner. Die meisten Babys brauchen solche „Brücken“ auch.
Babys brauchen Brücken in den Schlaf.
Und weil sie zum Lesen und Fernsehen noch zu klein sind, heißt das in aller Regel, dass man ihnen beim Runterkommen und Abschalten helfen muss. Zum Glück gibt es viele Möglichkeiten, gemeinsam zur Ruhe zu kommen: Stillen, kuscheln, wiegen, tragen, streicheln, singen, wippen, schaukeln, summen … und was einem noch so einfällt, um zusammen zu entspannen.
5. Einen Rhythmus entwickeln
Jedes Baby hat über den Tag hinweg Zeitpunkte, in denen es besonders leicht in den Schlaf findet. Ein Schlafprotokoll kann helfen, die herauszufinden. Daraus können Eltern dann einen ersten Tagesrhythmus entwickeln. Schläft ein Kind beispielsweise regelmäßig vormittags zwischen zehn und elf beim Stillen ein, könnte man versuchen, um diese Zeit einen festen Vormittagsschlaf einzuführen. Mit drei Monaten brauchen Babys meist noch drei bis vier Tagschläfchen, ab etwa einem halben Jahr noch zwei, mit 9 bis 12 Monaten stellen die meisten auf einen einzigen längeren Mittagschlaf um.
Bleibt die Frage: Muss so ein fester Rhythmus sein? Aus Babysicht: Nein. Es gibt viele Kulturen, in denen Babys den ganzen Tag am Körper getragen werden und immer wieder einschlafen, ohne dass es dafür feste Zeiten gäbe – und sie entwickeln sich nicht schlechter als Kinder mit einem Rhythmus. Aber: Vielen Eltern tut es gut, zu wissen, wann ihr Baby schläft. Und sie Pause haben.
6. Schlafphasen verbinden
Ein Baby, das durchschläft, schläft am Abend ein und wacht erst am Morgen wieder auf. Richtig? Nein: Jeder Mensch wacht nachts mehrmals auf – Kinder wie Erwachsene. Wir erinnern uns nur am nächsten Morgen nicht daran, weil wir gleich wieder einschlafen. Das können wir, weil wir gelernt haben, Schlafzyklen miteinander zu verbinden. Wir schlafen also ein, gleiten durch die verschiedenen Schlafphasen, wachen am Ende eines Zyklus auf, checken kurz, ob alles in Ordnung ist, und gleiten in den nächsten. Und all das ohne es zu merken. Babys lernen das mit der Zeit auch – ganz von selbst. Und weil ihre Schlafzyklen mit der Zeit immer länger werden, schaffen sie auch immer länger am Stück zu schlafen. Als Durchschlafen gilt, wenn es einem Baby gelingt, zwei Schlafzyklen von jeweils drei bis vier Stunden miteinander zu verbinden, also sechs bis acht Stunden am Stück zu schlafen, ohne dazwischen die Eltern zu wecken.
Das Problem bei solchen Plänen ist eben immer: Sie vereinfachen. Sie nehmen nicht auf jeden individuellen Sonderfall bezug. Das kann man kritisieren. Und trotzdem, denke ich, ist es ganz gut, am Anfang eines Kapitels auf diese Weise die Basics zu erklären und danach erst in die Details zu gehen – bei denen man dann auch wieder erklären kann, wo und wie es auch Sinn ergeben kann, von diesem generellen Plan abzuweichen.
Ich bin gespannt auf Eure Meinungen!
4 Comments on "Gute Nächte: Der Sechs-Punkte-Plan"
Anna
30/05/2011Ich finde Deinen 6-Punkte-Plan sehr "griffig". Klingt gut und umsetzbar. Es ist ja immer wichtig, Eltern, die am Schlafverhalten ihrer Kinder verzweifeln, eine Perspektive zu geben. 6-Punkte-Plan klingt schon mal sehr beruhigend und "machbar".
Zu Punkt 4: das Wort "Runterkommen" finde ich irgendwie störend. Da bin ich beim Lesen drüber gestolpert.
Zu Punkt 6: Das Problem ist ja meistens, dass Eltern ihr Kind um 7 oder 8 Uhr ins Bett legen. Das würde bedeuten, dass ein Baby, das um 1 Uhr oder 2 Uhr in der Nacht wach wird, bereits "durchgeschlafen" hat!
Ich finde, dieses Rechenexempel sollte man ruhig mal explizit in einen solchen Text mit aufnehmen, um den Alltagsgebrauch des Wortes "Durchschlafen" mal von der eigentlichen Wortbedeutung abzugrenzen.
Viel spaß noch weiterhin mit Deinem Blog/Buch
Katinka
14/06/2011Super!
Und ich habe genau das gerade gebraucht: Die Bestätigung, dass es ok ist, wenn unsere Tochter ihren eigenen Rhythmus hat (auch wenn der mich gerade etwas fertig macht ;-)).
Interessant finde ich übrigens, dass unsere Tochter den Unterschied zwischen Tag und Nacht, im Gegensatz zu unserm Sohn, gar nicht lernen musste, sondern quasi schon ab der Geburt konnte.
Liegt vermutlich daran, dass sie schon im Bauch tagsüber deutlich weniger Ruhe hatte und so der Unterschied schon zu spüren war. Sie hat schon in der Schwangerschaft nachts besser geschlafen als unser Sohn.
Mir gefällt, dass du die Entwicklung zum Durchschlafen als natürlichen Prozess beschreibst, den man nicht beschleunigen und manipulieren kann, dass man dem Kind aber eine Hilfestellung dabei geben kann. Dabei sollte aber auch deutlich werden, dass dieser Prozess, selbst wenn er optimal unterstützt wird, nicht linear verläuft und es immer mal wieder "Rückschritte" geben kann, weil sich einfach so vieles beim Kind verändert.
LG, Katinka
Nora Imlau
16/06/2011Anna, das Rechenbeispiel habe ich eingefügt. Mit dem "Runterkommen" ... ich überlege noch. Ich verstehe glaube ich, was Dich daran stört, es klingt sehr umgangsspachlich und so ein bisschen grobschlächtig im Zusammenhang mit Babys, oder? Ich habe den Begriff von Schlafforscher Jürgen Zulley, der mir im Interview mal sagte, das sei eben der Unterschied zwischen Einschlafen am Abend und Wieder-Einschlafen in der Nacht. Abends müsse man von der Aufregung des Tages runterkommen, nachts sei man quasi schon unten und könne deshalb leichter wieder einschlafen. Ich fand das sehr bildlich und griffig und finde gerade kein anderes Wort um das auszudrücken. "Entspannen" trifft es, finde ich, nicht.
Katinka, danke Für Dein Feedback, und Du hast recht, dass es immer wieder Schritte vor und zurück gibt, muss noch rein.
Und dass die Unterschiede zwischen Kindern wirklich enorm sind, was das gewöhnen an den Tag/Nach-Rhthymus angeht, kann ich bestätigen. Bei uns war es allerdings genau umgekehrt: Meine Große hatte den von Anfang an drauf, unsere Kleine musste den erst mühsam lernen ;).
Maike
12/04/2023Hi,
interessanter Artikel :) wie schaffe ich es denn das Baby zu unterstützen die Schlafzyklen zu verbinden, wenn es alle 90 min aufwacht?