Wohl alle Eltern kennen diesen Tipp: Damit das Baby von Anfang an lernt, alleine in den Schlaf zu finden, soll man es ‚müde aber wach‘ in sein Bettchen legen, damit es sich nicht daran gewöhnt, nur mit Hilfe einzuschlafen. So, hören Eltern überall, legen sie den Grundstein für guten Kinderschlaf. Mit Schuckeln, Tragen und Einschlafstillen bereiteten sie hingegen Schlafproblemen den Weg. Aber: Stimmt das überhaupt?
Nein! Es gibt zwar Babys, die tatsächlich alleine in den Schlaf finden. Doch die allermeisten Babys brauchen beim Einschlafen Hilfe, das ist ganz normal und natürlich.
Wird ein Baby also ‚wach, aber müde‘ ins Bett gelegt, passiert im Normalfall nur eins: Es weint. Weil es Nähe sucht, Angst bekommt, Begleitung braucht.
Das ist keine schlechte Angewohnheit, sondern ein uralter Überlebensmechanismus der Natur: Einschlafen können Babys nur in Sicherheit. Und Sicherheit und Geborgenheit sind für Babys eins.
Dass sie also am liebsten beim Stillen, beim Tragen oder im ruckelnden, schuckelnden Kinderwagen einschlafen, ist völlig logisch.
Es ist ganz normal, dass Babys beim Einschlafen Hilfe brauchen. Und ganz sicher keine schlechte Angewohnheit.
Eltern zu sagen, sie sollten auf all diese natürlichen Einschlafhelfer verzichten und ihr Baby stattdessen einfach ‚müde, aber wach‘ ins Bett legen, ist deshalb nicht nur ein unnützer Rat, sondern auch eine Anleitung zum Scheitern mit Ansage.
Denn die allermeisten Babys schlafen eben nicht ein, wenn sie nach dieser Anleitung ins Bett gebracht werden. Wird Eltern jedoch suggeriert, dass diese Art des Ins-Bett-Bringens der anzustrebende Standard sei, nährt das Selbstzweifel und Schuldgefühle.
Deshalb noch einmal in aller Deutlichkeit: Dass Babys von alleine in den Schlaf finden, wenn sie ‚wach, aber müde‘ ins Bett gelegt werden, kommt vor – aber selten. Der Normalfall ist, dass Kinder zum Einschlafen liebevolle Begleitung brauchen, und zwar viele Jahre lang.
Einschlafstillen, Einschlaftragen, Einschlafkuscheln und Einschlafschieben sind also keine schlechten Angewohnheiten, die unfähige Eltern ihren Babys beigebracht haben. Sondern angemessene Wege, Kindern die Geborgenheit zu schenken, die sie zum Einschlafen brauchen.
10 Comments on "Die „Müde, aber wach“-Lüge"
Mone
02/03/2018Liebe Frau Imlau,
Schön länger lese ich Ihre Beiträge bei Facebook. Der heutige Artikel spricht mir aus der Seele...
Unser Sohn ist jetzt 13 Wochen alt und hat so ziemlich von Anfang an Probleme beim einschlafen. Zudem wird er oft wach, da ihn immer wieder Bauchschmerzen und Blähungen plagen...
Er findet nur sehr schwer in den Schlaf, obwohl er total müde ist. Bei uns hilft nur tragen im Tuch, schuckeln auf dem Arm oder stillen... selbst im Kinderwagen schläft er nicht gerne. Dort wird erst mal fast nur geweint... mit einem Schnuller lässt er sich leider auch nicht beruhigen. Ich bin zwar kein Freund vom Schnuller, aber manchmal wäre es einfacher, dann könnte auch mal mein Mann mit ihm zu Bett gehen.
Ist er dann mal eingeschlafen, hat er nicht lange Ruhe, da er spätestens nach 2 Stunden wach wird und Bauchweh hat und ordentlich Pupsen muss. Er weint dann häufig und lässt sich nur durch stillen oder manchmal auch einfach nur durch nuckeln an der Brust beruhigen.
Er braucht einfach die Nähe. In seinem Bett schläft er nicht, deshalb darf er in unserem Bett schlafen. Meistens auf der Brust meines Mannes oder bei mir. Man versucht es seinem Kind ja schließlich so angenehm wie möglich zu machen.
Und zu all diesen Schwierigkeiten muss man sich dann immer die tollen Ratschläge und Kommentare von anderen anhören, dass man sein Kind verwöhnt... dass es doch lernen muss alleine zu schlafen... man soll es nicht auf dem Arm schuckeln, da gewöhnt er sich sonst dran...
Alles super Ratschläge von Menschen, die gar nicht verstehen was man als Mutter bzw. Als Eltern teilweise durchmachen muss... schlichlicj will man seinem Kind einfach nur zeigen, dass alles In Ordnung ist und sie mit ihren "Problemen und Wehwehchen" nicht alleine sind.
Deshalb kommt mir dieser Artikel heute wie gerufen! Es bestätigt das, was ich vielen immer versuche zu erklären. Aber man erntet nur komische Blicke, ganz nach dem Motto "erzähl nicht so einen Stuss, bei meinem Kind war das alles anders" oder "früher hat man das so oder so gemacht..."
Vielen Dank!
Kiwi
23/07/2020Hallo :) wie hat sich Ihre Situation den mittlerweile entwickelt ?
Ich stecke im selben Boot und hoffe auf Tipps.
Viele Grüße
Sabri
Monika
03/03/2018Wenn ich eines von meinen Kindern gelernt habe, dann dass dieses "angewöhnt" - "muss man abgewöhnen" nicht stimmt. Die Babys wissen ganz genau, was sie brauchen und zeigen es und unser Einfluss darauf etwas rechtzeitig anzugewöhnen ist gar nicht so groß bis nicht vorhanden - sofern man bedürfnisorientiert bleiben möchte. Hat aber wenn man es von anderen immer wieder hört, wie im Artikel beschrieben, viel Potential um schlechtes Gewissen zu machen.
Laura
10/09/2022wie hat es sich bei dir entwickelt? :) mir geht's genauso
Ursa
24/07/2019Naaaja, seh ich anders, siehe auch Elizabeth Pantleys Buch „Schlafen statt Schreien“:
Will ich meinem Kind irgendwann abgewöhnen, dass es an der Brust - und nur da - einschläft, hilft es sehr wohl, das Kind abzudocken, wenn es schon sehr müde, aber eben so noch wach ist. Dann wird das Kind abgelegt (ins eigene, ins Familienbett). Und dann natürlich nicht einfach liegen gelassen, sondern zunächst noch gestreichelt, besungen etc., wobei das dann schrittweise reduziert wird.
Das oben genannte Buch ist glaub ich das meist zitierte „Anti-Ferbern“ und ich kann nur sagen, die Methode funktioniert super. Mein Kind wird gestillt und dann vom Papa ins Schlafzimmer gebracht, wo es sich mittlerweile regelrecht von seinem Arm ins Bett „stürzt“ und dann selbst einschläft.
Ich bin nach unserer Erfahrung (und ja, das hat Monate gedauert) einer Meinung mit Frau Pantley: Kinder können lernen allein und auch durchzuschlafen! Und natürlich geht das nicht ohne Weinen, aber begleitet, geschuckelt, besungen und somit alles andere als allein gelassen! Das ist doch ein ganz wichtiger Unterschied!
Ich finde es ärgerlich, dass der Artikel so eindimensional anklingt, als wäre es nicht für viele Eltern sehr anstrengend, das Kind immer einschlaf-zu-stillen und als gäbe es keine Alternative dazu.
Michelle
06/05/2020Liebe Frau Imlau,
ehrlich gesagt bin ich oft nicht Ihrer Meinung. Mit dem Attachment Parenting kann ich mich z. B. so gar nicht anfreunden. Trotzdem lese ich Ihre Texte gerne, weil Sie auch die Gegenseite angemessen und ohne Feindseligkeit betrachten und zugeben, wenn es auch Argumente gibt, die Ihrer Position widersprechen. Vielen Dank dafür! Nur so kam ich zu diesem Text, der mich sehr beruhigt hat. Ich habe ein Baby, das ganz gut schläft, kann mich also nicht beschweren und bin meilenweit vom Gebrauch eines Schlaflernprogramms entfernt. Dennoch geisterte auch mir im Kopf die Frage herum, ob ich meinem Kind falsch beibringe nicht einschlafen zu können, weil ich es in den Schlaf kuschele, anstatt es müde aber wach ins Bett zu legen. Nun bin ich beruhigter und kann mich wieder auf mein Gefühl verlassen. Mein Sohn möchte schlafen, er braucht nur ein wenig Hilfe zum Einschlafen. Wenn er sie bekommt, sinkt er regelrecht in meine Arme und den Schlaf und es erfüllt mich mit unfassbar viel Freude, dass er sich so geborgen und sicher bei mir fühlt, dass er sich fallenlassen kann.
Andrea
10/05/2020Vielen Dank für den tollen Beitrag. Wir konnten und haben auch nie das Baby alleine schreien lassen. Wenn das Baby schreit, hat es Bedürfnisse. Oftmals ist es die Nähe, nachdem das Baby sich sehnt.
Wir haben gute Fortschritte gemacht, indem wir feste Abendrituale entwickelt haben. Hierbei ist es wichtig, sich komplett auf das Kind zu konzentrieren und Störfaktoren zu eliminieren. Das wurde meist mit einem schnellen Einschlafen und einer ruhigen Nacht belohnt.
Tanja
23/06/2021Meine Kinder haben mir beigebracht: Kinder sind nicht müde. Sie sind wach oder sie schlafen. Aber sie sind ganz bestimmt nicht müde. ;o)
Maren
18/07/2021Hallo zusammen..
Ich habe jetzt schon in vielen Foren gestöbert, weil ich angefangen habe, mich nach dem dritten Kind intensiver mit dem Thema Schlafen bei Babys und Kleinkindern zu beschäftigen.. Das hier ist absolut ehrlich gesagt der beste Beitrag, den ich bis jetzt gelesen habe.. meist findet man nur die üblichen ''Tipps'' die meist nie helfen.. Vor allem, dass man das Baby angeblich wach in sein Bett legen soll hat meines Wissens noch bei keinem den ich kenne, der auch Kinder hat geklappt. Bei uns gabs zum Beispiel von Anfang an das Familienbett und das hat meinen Jungs dann auch irgendwann beim Übergang ins eigene Bett geholfen.. zu wissen, dass sie immer zu Mama kommen können. Toller Beitrag, vielen Dank!!
LG aus hannover
Insa
02/08/2021Also ich bin auch der Meinung, dass man Babys nicht schreien lassen darf. Natürlich hören sie irgendwann auf, wenn es nichts bringt, aber ein Baby alleine zu lassen, das ist doch furchtbar. Ganz im Gegenteil, ich habe gelernt, dass Liebe die beste Einschlafhilfe ist. Wenn man sich kümmert, dann klappt das mit dem Schlafen ohne Schreienlassen.
Zum Buchtipp Ursa - Schlafen statt schreien finde ich auch sehr gut, noch besser ist aber das neue Buch von Jessica Ram - Baby Schläft, die Schlafrezepte! Ein Must Have für jede Mama und jeden Papa, der es auf die sanfte Methode und ohne Schreien probieren möchte!