Ich habe die ELTERN im Abo. Und die EMMA. Das zeigt ganz gut, was ich gern sein möchte: eine gute Mutter. Und eine emanzipierte Frau. Ich hätte nur nie gedacht, dass es mir so schwerfallenwürde, beides unter einen Hut zu kriegen. Das hat verschiedene Gründe.
Erster Grund: Ich finde es toll, dass Eltern heute mit ihren Kindern wieder natürlicher umgehen
Echten Feministinnen hingegen ist dieser Trend höchst suspekt. So beschreibt etwa die französische Philosophin Elisabeth Badinter in ihrem Buch „Der Konflikt“ voll Entsetzen, dass Mütter ihre Kinder heute wieder stillen, tragen, im Elternbett schlafen lassen. Dadurch sieht sie sämtliche Errungenschaften der Emanzipation gefährdet. Denn auf diese Weise würden sich heutige Mütter der „Herrschaft der Babys“ unterordnen und sich dadurch in genau dieselben Ketten legen lassen, aus denen sich ihre eigenen Mütter nur eine Generation zuvor so mühsam befreit hätten. Also Haushalt und Herd statt Krippe und Karriere wählen, denn: „Wie wollen Sie arbeiten, wenn Sie sechs Monate und länger stillen sollen? Alle zwei Stunden mit der Milchpumpe in der Hand ein Taxi bestellen?“
Badinter hat anscheinend wirklich keine Ahnung davon, wie das ganz normale Leben von Müttern wie mir heute aussieht. So habe ich beispielsweise meine beiden Töchter bis weit ins zweite Lebensjahr hinein gestillt. Einfach, weil es uns guttat und weil ich das wollte. Ein Taxi habe ich dennoch nie für meine Milch bestellen müssen: Als meine Tochter mit acht Monaten zur Tagesmutter kam, habe ich sie eben vorher und danach gestillt und zwischendrin gearbeitet und Geld verdient. Es ist ja nicht so, dass Stillkinder in dem Alter nicht auch schon Brei essen würden. Umgekehrt kenne ich natürlich auch Frauen, die nach der Geburt drei Jahre zu Hause blieben. Aber ganz ehrlich: Mir ist noch keine untergekommen, die das gemacht hat, weil sie so lange stillen wollte.
Dass das Idealbild einer möglichst natürlichen Babyzeit Mütter auch ganz schön unter Druck setzen kann, wie Badinter es beklagt, will ich gar nicht bestreiten. Nur: Ich finde ihre Ansprüche an die perfekte emanzipierte Mutter nicht minder schwer zu erfüllen. Weil ich sie einfach nicht mit meinem Gefühl in Einklang bringe. Badinter und Konsorten mögen über den gefühlten Unterschied zwischen Zahn- und Wehenschmerzden Kopf schütteln – für mich liegen dazwischen trotzdem Welten. Und ich finde es Quatsch, die in unzähligen Studien nachgewiesenen gesundheitlichen Vorteile des Stillens wegzuwischen mit dem Argument, sie seien nichts als der Ausdruck eines frauenfeindlichen Biologismus.
Zweiter Grund: Die Diskussion um das Recht auf Abtreibung
Der zweite Grund ist schwieriger zu erklären. Und er hängt mit dem wohl prominentesten Anliegen der deutschen Frauenbewegung zusammen: dem Recht auf Abtreibung. Feministinnen wie Alice Schwarzer fordern, dieses Recht jeder Frau uneingeschränkt zuzugestehen – in jeder Schwangerschaftswoche, ohne Angabe von Gründen, ohne Beratungspflicht. Und da wird es für mich schwierig. Bei einer Entscheidung von solcher Tragweite: Sind da drei Tage zum Nachdenken wirklich zu viel verlangt? Frage ich mich und weiß es selbst nicht genau.
Schlimm finde ich jedoch, wenn ich in feministischen Texten zum Thema das Gefühl vermittelt bekomme, solche Fragen zu stellen sei eigentlich schon frevelhaft. Weil es hier schließlich einzig und allein um das Selbstbestimmungsrecht der Frau gehe. Das in ihrem Bauch sei schließlich noch kein Mensch – und zwar bis zur Geburt nicht. Dann denke ich an den Moment, als ich meine Tochter zum ersten Mal auf dem Ultraschallschirm sah. Da war sie gerade so groß wie ein Gummibär und trotzdem ganz ohne Zweifel: mein Baby.
Dennoch weiß ich natürlich, dass es wichtig und richtig ist, dass Frauen in Deutschland heute straffrei abtreiben dürfen. Alice Schwarzer hat völlig recht, wenn sie sagt, dass eine Frau, die ein Kind nicht will, einen Weg finden wird, es nicht zu bekommen. Und dass es die moralische Verpflichtung einer Gesellschaft ist, dafür zu sorgen, dass diese Frau nicht auf dem Küchentisch irgendeiner irgendeiner Engelmacherin verblutet.
Und trotzdem finde ich die neue Regelung, dass vor einem Spätabbruch drei Tage Bedenkzeit eingehalten werden müssen, gut. Weil ich darin die Chance sehe, dass sich das eine oder andere Paar nach dem ersten Schock doch noch für sein Kind entscheidet.
Dritter Grund: Gleichberechtigung konsequent im Elternalltag zu leben ist ganz schön schwer
Der dritte und letzte Grund klingt im Vergleich dazu profan. Doch der Grundsatz der Frauenbewegung lautet schließlich nicht umsonst, dass das Private politisch ist. Hier, in der Familie, zeigt sich, wie es wirklich um die Emanzipation bestellt ist. Also: Wer wickelt und füttert bei uns? Wer bringt die Kinder ins Bett und wer die Kohle nach Hause? Ich denke, was den Elternjob angeht, stehen wir ganz gut da. Mein Mann und ich lesen beide Gutenachtgeschichten vor, kochen Schnuller aus, wickeln die Kleine, spielen mit der Großen Kinder-Uno. Typische Mama- oder Papa-Aufgaben gibt es bei uns nicht (bis aufs Stillen, logischerweise). Wir verdienen auch beide gemeinsam das Geld, das wir zum Leben brauchen. Allerdings muss ich zugeben, dass mein Mann jeden Tag von morgens bis abends aus dem Haus ist. Ich hingegen arbeite vormittags, wenn die Kinder in Betreuung sind, verbringe den Nachmittag mit ihnen und setze mich im Zweifelsfall abends, wenn sie schlafen, noch mal an den Schreibtisch. Ich weiß, das riecht verdächtig nach klassischer Rollenverteilung.
Und trotzdem finde ich es wichtig, genauer hinzusehen: Mein Mann und ich sind gleichberechtigt, aber nicht gleich. Und unsere Arbeitsbedingungen sind es auch nicht. Ich habe beispielsweise das Glück, einen Job zu haben, in dem ich mir meine Zeit frei einteilen kann. Und in dem Kinder kein Handicap sind. Bei meinem Mann sieht das anders aus. Für einen freien Nachmittag in der Woche muss er schon richtig kämpfen. Was ist dann die gerechtere Lösung: dass jeder gleich viele Stunden für die Kinder zuständig ist? Oder dass jeder so viel arbeiten darf, wie nötig ist, um in seinem Job Spaß und Erfolg zu haben? Wir haben uns für Letzteres entschieden – und ringen nun jeden Tag darum, innerhalb dieses Modells die Aufgaben so fair wie möglich zu verteilen.
Bin ich nun eine emanzipierte Mutter?
Ich hoffe und glaube trotz allem: Ja, das bin ich. Weil ich mit meinem Job und meinen Kindern glücklich bin – aber mich trotzdem nicht zufrieden gebe, solange es in dieser Gesellschaft noch so schwer ist, echte Gleichberechtigung zu leben. Weil in vielen Unternehmen noch die alten Gorillas das Sagen haben, die Elternzeit nehmende Väter als Weicheier verlachen. Weil es trotz aller Versprechen immer noch zu wenig Krippenplätze und Ganztagsschulen gibt. Und weil es Paaren wie uns immer noch an Vorbildern fehlt, die uns zeigen, wie das gehen könnte: zwei Kindern und zwei Jobs in einer kompletten Fifty-fifty-Rollenverteilung gerecht zu werden.
Aber, und das ist aus meiner Sicht das Entscheidende: Wir lassen nicht locker. Und wenn unsere Töchter mal so weit sind, wird das, worum ich heute ringe, für sie hoffentlich ganz selbstverständlich sein: dass sie selbstbewusste, emanzipierte Frauen sein können. Und gleichzeitig wunderbare Mütter.
0 Comments on "Bin ich eine emanzipierte Mutter?"