Heute gibt’s noch einen letzten Auszug aus meinem Schlaf-Kapitel – ich freue mich auf Euer Feedback!
Hintergrund: Wie Schlaflernprogramme funktionieren
Ein fester Plan, mit dem Babys in wenigen Tagen lernen sollen, alleine ein – und durchzuschlafen – das klingt verlockend. Aber was steckt dahinter?
Die Idee, eines standardisierten Schlaftrainings für Babys zu entwickeln, geht auf den Bostoner Kinderarzt und Schlafforscher Dr. Richard Ferber zurück.
Er hatte beobachtet, dass es Eltern gibt, die so unter Schlafmangel leiden, dass sie ihren Babys gegenüber Aggressionen entwickeln, die bis hin zu Mordfantasien reichen. Für diese extremen Fälle entwickelte er einen Notfall-Plan: Ein verhaltenstherapeutisches Programm, durch das Babys extrem schnell dazu gebracht werden können, so zu schlafen, dass es ihren Eltern besser geht.
Dieses Schlaftraining gilt heute als besonders hart, weil es die Zeiten, in denen man das Baby ungetröstet in seinem Bettchen schreien lässt, auf bis zu 45 Minuten ausdehnt. Aber: Es funktionierte.
Daraufhin kam Ferber der Gedanke, dass sein Programm auch für Eltern attraktiv sein könnte, die ihrem Baby gegenüber zwar keine schlimmen Aggressionen fühlen, aber gerne mal wieder einen ruhigen Abend hätten. „Solve you child’s sleep problems“ wurde ein Bestseller und löste weltweit eine Welle von Schlafratgebern aus, die auf demselben Prinzip basierten. Viele Hebammen und Kinderärzte gaben den Tipp, das Baby einfach ohne jegliche Einschlafhelfer ins Bett zu legen und nur alle paar Minuten nach ihm zu sehen, an junge Eltern weiter – froh, endlich ein einfaches Rezept gegen Schlafmangel zu kennen.
Doch viele Kinderärzte, Psychologen, Pädagogen und Hirnforscher warnen davor, Schlaflernprogramme unkritisch anzuwenden. Ihre Gründe:
1. Die Methode bedeutet für Babys großen Schmerz. Gerade weil Eltern heute so liebevoll mit ihren Kindern umgehen, ist es für ein Baby ein unverständlicher Schock, wenn nachts plötzlich keiner auf sein Weinen reagiert. Ob die Wiederkehr der Eltern in festen Abständen dem Kind hilft, den Schmerz zu lindern, wird von vielen Experten bezweifelt – schließlich haben Kinder bis ins dritte Lebensjahr hinein kein Zeitgefühl. Und das heißt: Wer alleine weint, tut das schon seit einer gefühlten Ewigkeit.
2. Babys lernen nicht zu schlafen, sondern aufzugeben. Der Begriff „Schlaflernprogramm“ suggeriert, das Baby erhalte dadurch die Chance, Kompetenz in Sachen Schlaf zu erlangen und das Gelernte dann anzuwenden. Dabei ist längst nachgewiesen: Furcht und Verzweiflung, wie sie ein Kind beim „kontrollierten Schreienlassen“ erlebt, lähmt alle Strukturen im kindlichen Gehirn, die fürs Lernen verantwortlich sind. Das Baby entwickelt also keine neuen Fähigkeiten, sondern wird schlicht darauf konditioniert, dass sein Schreien nicht gehört wird. Dass es schließlich aufhört zu weinen, bedeutet: Es hat resigniert.
3. Schlaflernprogramme sind schädlich für die Entwicklung. Dank moderner Hirnforschung ist es heutzutage möglich, nachzuweisen, was beim „kontrollierten Schreienlassen“ im Gehirn eines Babys passiert: In dem Moment, in dem das Baby allein gelassen wird, springt die Amygdala, der „Gefahrendetektor im Gehirn“, an: Das Baby beginnt zu weinen. Wird es nun prompt und kontinuierlich getröstet, sinkt der Pegel des Stresshormons Cortisol schnell wieder auf Normalmaß. Verantwortlich dafür ist der für die Selbstregulation zuständige Vagusnerv im Gehirnstamm. Erfährt ein Baby immer wieder sofortigen Trost, „lernt“ der Vagusnerv, Angstzustände zu überwinden.
Wird ein weinendes Kind aber sich selbst überlassen, wächst seine Fähigkeit zur Selbstregulation nicht. Dafür schnellt der Cortisolspiegel in die Höhe, das Gehirn wird geradezu von Stresshormonen überschwemmt, die seine empfindlichen Strukturen dauerhaft schädigen können. Trennungsängste und Panikattacken sowie Suchterkrankungen im Erwachsenenalter können die Folge sein.
Konkret heißt das: Schlaflernprogramme funktionieren – aber der Preis ist so hoch, dass sie das Notfall-Instrument bleiben sollten, als das sie ursprünglich entwickelt wurden.
19 Comments on "Achtung, Schlaflernprogramme!"
Anne
10/06/2011Mir gefällt der Kasten gut, kleine Ergänzungen habe ich aber trotzdem ;-)
Zum zweiten Punkt würde ich ergänzen, dass Babys auch deswegen irgendwann aufhören zu schreien, weil sie sonst zu viel Energie verbrauchen. Nach einer gewissen Zeit still zu werden hat also nichts mit Lernen zu tun, sondern ist ein Überlebensprogramm.
Zudem fände ich schön, wenn irgendwo der Hinweis auftaucht, dass man das gesteckte Ziel genauso schnell und weniger schmerzreich für Eltern und Kind erreichen kann, indem man die Bedürfnisse eines Säuglings den eigenen Möglichkeiten und zuverlässig erfüllt. Und damit für das Kind einschätzbar ist und bleibt.
Ich bin schon total gespannt auf das Gesamtwerk!
Nora Imlau
10/06/2011Hallo Anne,
der Punkt mit dem Energieverbrauch kommt noch rein, danke fürs Erinnern.
Darauf, wie man bessere Nächte auf sanftere Art und Weise erreichen kann, gehe ich in den Seiten vor diesem Kasten ausführlich ein ;).
Und auf das Gesamtwerk bin ich auch gespannt ... :)
Liebe Grüße und wie immer Danke fürs Feedback!
Nora
Kate
10/06/2011Hallo Nora,
zu Punkt 1: Ich denke auch nicht, dass es schmerzlindernd ist, sondern, das es nicht noch viel schlimmer ist, wenn die Eltern neben dem Bett stehen, zum Greifen nah (rausnehmen ist ja verboten, oder?) und zudem auch noch WIEDER weg gehen. Das Kind, was sich also gerade wieder langsam beruhigt und in Sicherheit wiegt, das Gefühl hat, dass das Schreien Hilfe bewirkt hat, wird nochmal von den Eltern verlassen. Und das immer wieder.
Und abgesehen vom nicht vorhandenen Zeitgefühl (das finde ich schwer zu greifen), weiß das Kind ja noch nicht mal: "In fünf Minuten hilft mir jemand." Soweit ich weiß, werden die Zwischenzeiten ja immer weiter ausgedehnt.
(Ich persönlich denke sogar, dass diese Zeiten für's immer-wieder-reingehen eher für die Eltern sind, weil die es sonst nicht so lange aushalten würden).
Punkt 3 finde ich besonders wichtig, das finde ich sehr gut erklärt. Dieses wissenschaftliche ist für manch einen verständlicher als Psychologie und ich denke, dass ein Schlafprogramm-Befürworter spätestens an der Stelle hellhörig wird. Deswegen finde ich dieses Argument auch als letzten Punkt genau richtig platziert, das bleibt hängen.
Nora Imlau
10/06/2011Hallo Kate,
danke auch Dir für Deine Rückmeldungen.
Das Problem bei solchen Argumentationen ist halt immer, dass niemand genau wissen kann, was das Baby fühlt in so einer Situation. Also, natürlich sieht man ihm seine Verzweiflung an, aber inwiefern das Rein- und Rausgehen der Eltern ihm hilft oder alles nur noch schlimmer macht - da sind wir schnell im Bereich der Spekulation. Ich versuche aber trotzdem, des Aspekt des Immer-wieder-verlassen-werdens noch reinzunehmen.
Die Zwischenzeiten werden nicht bei allen Schlaflernprogrammen ausgedehnt. Bei der "Freiburger Sanduhr"-Methode etwa bleibt es, so weit ich weiß, bei drei Minuten. Von den Befürwortern dieser Methode wird deshalb gesagt, diese sei schonender fürs Kind. Dem stelle ich das Argument mit dem nicht vorhandenen Zeitgefühl entgegen.
Hmm, vielleicht könnte ich wirklich noch dazuschreiben, dass die festen Abstände eher den Eltern als dem Kind helfen.
Ich habe halt auch nicht so viel Platz, es soll nur ein Kasten sein und kein ganzer langer Text zum Thema, wie ich ihn damals etwa fürs ELTERN Special "Mein Baby" geschrieben habe.
Kate
11/06/2011Oh, das mit der Freiburger Methode macht das mit dem nicht vorhandenen Zeitgefühl natürlich noch wichtiger.
Dass du einer Methode, wie man NICHT mit Babys umgehen soll, möglichst wenig Platz einräumen willst, verstehe ich gut und dein Platz ist ja auch begrenzt.
Möglicherweise ist die Warnung vor'm kontrollierten Schreienlassen und Entkräftung möglichst aller "Pro-Argumente" auch heutzutage doch noch wichtiger, als man meint.
maj
11/06/2011hallo!
ich bin selber mutter von zwei kindern und ich habe bei beiden modifizierte schlafprogramme angewendet, beide haben nach kurzer zeit durchgeschlafen. und beide haben meiner beobachtung nach keineswegs gelernt "aufzugeben". sie bleiben lange bei einer sache und probieren diese immer wieder bis sie erfolg haben. und sie müssen auch tagsüber lernen, dass ich nicht sofort komme sobald sie rufen, denn nur so können sie auch versuchen selbst eine lösung zu finden. und wenn das geklappt hat sind sie stolz! und wenn sie nachts durchschlafen sind sie ausgeruht. und ich auch. davon profitieren alle. ich finde man muss in bezug auf solche programme auch realistisch bleiben. das heißt, dass man sicher nicht über wochen ein solches programm durchziehen sollte. wenn es aber für ein paar tage ist kann ich mir nicht vorstellen, dass kinder dadurch schaden erleiden. manchmal ist es wirklich eine chance für alle, wenn man dem kind zutraut ohne hilfe einschlafen zu können. das schreien geschieht meiner meinung nach nicht unbedingt aus "verzweifelung", sondern aus wut, dass nicht so reagiert wird wie das kind es will. und wenn babys ein gewisses alter überschritten haben können sie meiner meinung das durchaus lernen und müssen solchen frust auch für kurze zeit aushalten.
viele grüße
maj
Nora Imlau
16/06/2011Hallo maj,
ich danke Dir für Deine Rückmeldung und finde es mutig, dass Du Dich hier mit Deiner Meinung und Deinen Erfahrungen einbringst, auch wenn sie dem widersprechen, was die meisten anderen, die hier kommentiert haben, denken.
Nun weiß ich natürlich nicht, in welcher Weise Du ein abgewandeltes Schlaflernprogramm durchgeführt hast. So gibt es beispielsweise ja auch die Variante, dass man ein Kind ins Bett bringt, aber eben "nur" dabei bleibt, ohne etwas zu tun (z.B. in den Schlaf stillen o.ä.). Solche Möglichkeiten stelle ich selbst in meinem Buch als Lösungen in verfahrenen Situationen vor. Ich selbst bin realistisch genug, um zu wissen, dass Umstellungen in Sachen Schlaf nicht immer ohne Tränen einher gehen können - und meiner Meinung nach auch nicht müssen. Ich finde es nur wichtig, dass Kinder in diesem Schmerz, den die Umstellung für sie bedeutet, nicht alleine gelassen werden.
Und das ist nicht nur meine Privatmeinung, sondern die Ansicht vieler renommierter Expertinnen und Experten, die alle zu nennenden Rahmen meines Buches sprengen würde.
Dennoch sagen alle: Ein liebevoller, fürsorglicher, sensibler UMgang kann auch viel wieder wett machen. Kindheit verläuft nicht immer optimal, und KInder können Verletzungen manchmal erstaunlich gut wegstecken. Dennoch sehe ich es als meine Pflicht an, vor möglichen Verletzungen zu warnen und Alternativen, die ebenso zu besseren Nächten führen, aufzuzeigen.
Liebe Grüße
Nora
jay
11/06/2011Die Meinung von maj haben wahrscheinlich viele Eltern, weil es ihnen so suggeriert wird. Und wenn man "genervt" von den schlaflosen Nächten ist, dann ist man auch anfälliger für solche Allheilmittelchen. Aber eins darf man nicht vergessen. Die Menschen hinter den Büchern wollen in erster Linie verkaufen. und das machen sie nicht, indem sie auch vor den Gefahren warnen.
Ich bin auch absolut gegen solche Methoden. Weil ein Baby nicht in der Lage ist aus Berechnung zu weinen. Es weint nur, wenn es etwas hat. Sei es hunger, ein wehwechen oder es braucht die nähe der Mutti.
Ich finde es grausam, wenn einem kleinen Wesen diese Hilfe gerade in der dunklen Nacht verwehrt wird. Das man tagsüber nicht immer sofort rennen kann ist klar. Aber aus Berechnung das Kind schreien lassen bis es resigniert. Das finde ich nicht gut. Und das es davon Schäden davon tragen kann finde ich als absolut plausibel.
LG
jay
Ich freu mich auf dein gesamtwerk
Nora Imlau
16/06/2011Ich glaube schon, dass viele Schlafratgeber-Autoren die Bücher nicht aus Geldgier schreiben, sondern weil sie verzweifelten Eltern helfen wollen.
Ich denke, dass andere Wege zu besseren Nächten einfach noch nciht so bekannt sind. Und das versuche ich jetzt zu ändern ;).
Danke für Dein Feedback!
Ulrica Freytag
11/06/2011Hallo!
Ich bin Mutter von zwei Kindern und wenn der Tag vorbei ist freue ich mich auf "Eigenzeit" wenn die beiden schlafen. Für mich war es immer wichtig das die gut einschlafen aber nie schreiend. Es kann nicht gesund sein für das Baby und auch nicht für meine Nerven. Das Baby hat Bedürfnisse und wir sind da um die zu erfüllen. Ich bin überzeugt das wenn mann das Baby ein gutes gefühl von Sicherheit und Liebe gibt, dann ensteht dieses Dilemma erst gar nicht.
Gunhild
11/06/2011Liebe Nora,
leider habe ich erst jetzt von Deinem Buch-Projekt erfahren (was ich ganz toll finde).
Obwohl das wichtige Kapitel "Schlaf" nun wohl schon fast fertig ist, will ich trotzdem hier mal noch zu allen vorangegangenen Blog-Einträgen gesammelt meine Ideen zum besten geben. Vielleicht nützen sie Dir ja noch etwas.
Erstmal finde ich, dass in einem Baby-Ratgeber das Thema "dem Baby das eigene Bett schmackhaft machen" ziemlich weit hinten anstehen sollte. Ein Baby braucht viel Nähe und Geborgenheit und die findet es normalerweise am einfachsten im Familienbett.
Das Thema, Menschheitsgeschichte und die Gefahr, der ein Baby, das allein schlief, ausgesetzt war (wie es z.B. Renz-Polster in "Born to be wild" ausführlich beschrieben hat), hast Du ja schon aufgenommen.
Ich finde immer den Vergleich eingehend, dass man als Paar ja auch (zumindest die meisten) am liebsten zusammen in einem Bett schläft. Und das, obwohl man doch schon erwachsen ist. Aber so ein kleines Wesen, das gerade erst auf der Welt ankommt, soll allein schlafen (können). Warum?
Und ich finde es bei diesem Thema wichtig, mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass das Baby im Familienbett einer erhöhten SIDS-Gefahr ausgesetzt ist. Denn wenn man es richtig macht, dann ist eher das Gegenteil der Fall (aber das hast Du ja wohl auch schon aufgegriffen).
Dass Kinder mit einem halben Jahr normalerweise 6-8 h durchschlafen halte ich für ein Gerücht. Ich denke, dass man im Buch diese Erwartungshaltung nicht schüren sollte. Gerade gestillte Kinder trinken doch deutlich häufiger und bei vielen ist ein 2-3 h Rhythmus absolut normal. Diese Pauschalaussage würde ich einfach weglassen, sie verunsichert nur.
Bei uns war das so:
Meine Kinder haben ca. die ersten 3 Monate nur mit Körperkontakt bzw. in unserer unmittelbaren Nähe im Wohnzimmer geschlafen, bis wir selbst ins Bett gegangen sind.
Beim ersten Kind dachte ich nach 3 Monaten, jetzt müsste das Baby doch endlich mal allein im eigenen Bett einschlafen lernen. Weil man das ja überall so hörte. Ich habe es einen abend mal vielleicht 5 min weinen lassen. Und danach nie wieder!
Danach wurden sie im Familienbett einschlafgestillt und ich konnte mich nach und nach immer öfter wegschleichen, wenn sie richtig fest eingeschlafen waren.
Für mich war es die wichtigste "Überlebensstrategie" von dem Gedanken wegzukommen, dass ich unbedingt durchschlafen muss, um fit zu sein. Viel wichtiger ist, dass ich in Summe auf genügend Schlaf komme. Und dafür muss ich so oft wie möglich mit dem Kind zusammen schlafen, also z.B. auch immer mittags. Den Haushalt kann man lieber mit dem Kind zusammen erledigen. Am Wochenende (oder auch in der Woche) früh den Papa fordern und selbst noch etwas länger liegen bleiben, während der Papa sich ums Kind kümmert.
Meine Kinder haben 2 bzw. 3 Jahre im Familienbett/Babybalkon (auch ein sehr wichtiger Tipp!!!) geschlafen, bevor sie in ein eigenes, großes Bett umgezogen sind, wo sie aber weiter bei Bedarf einschlafgestillt/einschlafbegleitet wurden. Und sie dürfen auch heute noch jederzeit in unser Bett wechseln.
Nora Imlau
16/06/2011Hallo Gunhild,
danke für Deine ausführliche Rückmeldung. Und keine Sorge: Auch wenn das Schlaf-Kapitel nun fast fertig ist, kann ich immer noch immer wieder zurückgehen und noch Änderungen einarbeiten.
Was das Schmackhaft-Machen des eigenen Bettes angeht: Ich verstehe Deine Einstellung dazu und habe ja selbst auch meine Töchter bewusst von Anfang an in unser Bett geholt, dennoch ist es mir wichtig, in meinem Buch ganz selbstverständlich beide Wege vorzustellen. Denn es gibt einfach viele Eltern, die sich - zumindest am Anfang - nicht vorstellen können, dauerhaft mit ihrem Baby die Matratze zu teilen. Und die ein Buch, das beim ersten Durchblättern wie eine "Familienbett-Bibel" wirkt, die nichts anderes propagiert, sofort wieder ins Regal stellen würden. Mein Weg ist ein anderer: Zeigen, was es für Möglichkeiten gibt, das Baby sowohl im Familienbett als auch im eigenen Bett liebevoll in den Schlaf zu begleiten. Damit jede Familie einen Weg finden kann, der zu ihr und ihrem Schlaf-Arrangement passt.
Auf das Vorurteil, dass Co-Sleeping das SIDS-Risiko erhöhe, gehe ich ein, ebenso wie auf die Empfehlungen von Unicef und WHO, die ja explizit zum Familienbett raten.
Die Sache mit den Zahlen, wann Kinder durchschlafen, ist kompliziert: Es gibt Untersuchungen zu dem Thema, Schlaflaborstudien, und da ich den Anspruch an mich habe, dieses Buch auf einen wissenschaftlichen Sockel zu stellen, brauche ich solche Zahlen. Ich finde es deutlich seriöser, zu sagen "Studien haben gezeigt, dass etwa die Hälfte aller Babys in diesem und jenem Alter so und so lange schläft", als wenn ich sage "Ich finde, Babys müssen nicht durchschlafen, und Kleinkinder auch nicht." Stattdessen stelle ich in meinem Buch dar, wie solche Studien zustande kommen, und warum Durchschnittswerte immer nur Anhalspunkte sein können, aber nie widerspiegeln können, wie das eigene Kind wann schlafen wird.
Liebe Grüße
Nora
Birgit Klingelhöfer
14/06/2011Hallo Nora,
ich habe gerade bei den Raben von diesem Blog gelesen und bin schon lange "Fan" deiner Artikel in der Eltern. Ich finde es grandios, daß mal jemand so deutlich sagt was Sache ist. Und du kannst so viel bewegen denn die Eltern ist nunmal eine Institution für viele junge Mamas und möglicherweise ist hier der Startpunkt für ein Umdenken möglich.
Daher: Danke für deine Arbeit !!
Viele Grüße
Birgit
Nora Imlau
16/06/2011Danke, liebe Birgit, das freut mich sehr!
Katinka
14/06/2011Mich erschreckt es immer wieder, wie selbstverständlich Eltern untereinander diese Programme empfehlen und das obwohl viele selbst sehr darunter gelitten haben.
Bei einigen habe ich den Eindruck, dass sie diese Empfehlung vor allem geben, weil es ja erfolgreich sein muss, wenn man es durchzieht, obwohl das Kind dabei so leiden muss.
Und mir fällt ein Nachbar ein, der mir erzählte, dass seine Tochter so "schlafen gelernt" habe und "immer wenn sie wieder eine Phase oder einen Schub hatte, müssen wir das Programm noch mal machen!" Aber er beschrieb es mir als absolut wirkungsvoll und hilfreich, obwohl sie, nach seiner Aussage, ca. alle 2 Wochen wieder von vorne anfingen.
Und offenbar glauben ja tatsächlich immer noch Leute, dass schon Babys lernen müssen "dass sie nicht immer ihren Willen durchsetzen können"! Aber damit räumst du sicherlich auch irgendwo auf, oder?
Mir gefällt der Kasten gut!
LG, Katinka
Claudia
17/06/2011Liebe Nora,
ich finde Deine Zeilen mal wieder sehr klar und einleuchtend. Was hältst Du davon, nebenbei zu erwähnen, dass Ferber seine Aussagen ja längst widerrufen hat? ;-)
guck mal hier:
http://www.ferbern.de/rund-ums-ferbern/interview-ferber0/interview-ferber.html
lg, claudia
Anna
18/06/2011Ich verstehe ehrlichgesagt noch immer nicht, wie Eltern überhaupt auf die IDEE kommen können, ihren Kindern so etwas anzutun!
Das muss doch eigentlich jeder sehen, dass es eine unvorstellbare Grausamkeit ist, sein völlig hilfloses Kind ABSICHTLICH alleine der völligen Verzweiflung zu überlassen und ihm dann noch den möglichen Trost in (für uns) kurzen Abständen kurz anzudeuten um danach sofort wieder zu verschwinden.
Bei Problemen kann sich das Kind eben nur selber "helfen", indem es schreit (um Hilfe bittet). Mehr kann es ja nicht tun um seine Situation zu verbessern. Das planmäßige Ignorieren dieser Bitte um Hilfe lässt das Kind seine eigene Hilflosigkeit verstärkt erleben. Und Hilflosikeit, wenn man mal an sich selbst denkt, ist ein schreckliches Gefühl!
Sorry, ich bewundere Dich, dass Du bei dem Thema so sachlich bleiben kannst. Ich kann es nicht. Mir wird immer noch bei dem bloßen Geanken daran schlecht.
Noch ein kleiner Gedanke:
Alleine das Wort "SchlafPROGRAMM" suggeriert, Kinder seien programmierbar wie Maschinen.
Ich finde das mit meinem Menschenbild unvereinbar.
PUNKT.
Nora Imlau
21/06/2011Hallo Claudia,
die Aussage, dass Ferber seine Aussagen widerrufen hat, stimmt ja leider nicht ganz - auch wenn es immer wieder so behauptet wird. Was stimmt, und was ja auch der von Dir verlinkte Text besagt, ist, dass Ferber seine extremen Vorbehalte gegen gemeinsames Schlafen relativiert hat und gesagt hat, wenn es Euch gut geht, miteinander in einem Bett zu schlafen, dann macht doch.
Er hat aber weder sein Schlaflernprogramm "zurückgerufen" noch, wie man immer wieder in Foren liest, gesagt, er bereue, es je erfunden zu haben. Er hat mal in einem Interview gesagt, er stehe zu dem Programm, es habe vielen Eltern geholfen, und er hoffe halt immer, dass die Menschen ihren gesunden Menschenverstand nicht ausschalteten und ihr Kind nicht wochenlang über Stunden schreien ließen. In den meisten Fällen wäre aber ja ohnehin nach einer paar Tagen Ruhe. Und sein Buch "How to solve your child's sleep problems" ist in der xten Auflage auf dem Markt.
Und ehrlich: Dass Ferber sagt, es sei auch ok, in einem Bett zu schlafen - das finde ich keine Erwähnung wert, das fokussiert mir die Perspektive viel zu sehr auf ihn als Person.
Und liebe Anna, danke auch für Deine Zeilen. Es geht ja vielen Müttern so, dass sie bei diesem Thema sehr emotional werden, und ich könnte das auch - aber ich weiß einfach, dass ich mit kühlem Kopf und sachlichen Argumenten mehr erreichen kann.
Liebe Grüße
Nora